Die Hormon-Entzugstherapie

Mit jährlich etwa 65.000 Neuerkrankungen ist das Prostatakarzinom (PCa) derzeit die häufigste Krebserkrankung des Mannes in Deutschland. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei ungefähr 69 Jahren. Prostatakrebs wächst oft langsam und ist, besonders wenn er im Frühstadium entdeckt wird, gut behandelbar. Allein schon aus diesem Grunde ist die Vorsorge sehr wichtig (siehe auch die Artikel „Vorsorge“ und „PSA-Bluttest“ auf dieser Internetseite).

Eine der vielen Behandlungsmethoden ist die Hormon-Entzugstherapie. Sie wird auch „Anti-Hormontherapie“ oder „Hormonblockade“ genannt und kommt normalerweise zum Einsatz, wenn der Prostatakrebs fortgeschritten oder metastasiert ist, also schon Tochtergeschwülste gebildet hat. Auch im Rahmen einer Strahlentherapie kann diese Behandlung sinnvoll sein. Sie hat immer das Ziel, das Tumorwachstum zu bremsen bzw. den Tumor zu verkleinern.

Der Prostatakrebs benötigt für sein Wachstum das männliche Hormon Testosteron. Die klassische Hormon-Entzugstherapie (Androgendeprivationstherapie = ADT) mit den sogenannten LHRH-Analoga (Wirkstoffe: Buserelin, Goserelin, Leuprorelin, Triptorelin u.a.) oder LHRH-Antagonisten (Wirkstoffe: Abarelix, Degarelix u.a.) hemmt die Hormon-Produktion im Körper des Mannes und verlangsamt dadurch das Krebswachstum für einen begrenzten Zeitraum (individuell sehr unterschiedlich, meist für viele Monate bis mehrere Jahre).

Meistens wird diese Behandlung dauerhaft durchgeführt. Es gibt aber auch die Methode, dass man zwischendurch eine Medikamentenpause einlegt („intermittierende Hormonblockade“). Wenn der PSA-Wert sehr deutlich abgefallen ist, folgen nach mehrmonatigen Behandlungen dann therapiefreie Phasen. In dieser Zeit erholt sich i.d.R. der Hormonspiegel des Mannes, wodurch die Nebenwirkungen deutlich gelindert werden können und die Lebensqualität wieder steigen kann. Wenn der PSA-Wert dann wieder ansteigt, setzt die medikamentöse Behandlung erneut ein. Ob man sich für die dauerhafte oder die intermittierende Hormonblockade entscheidet, sollte unbedingt mit dem Facharzt des Vertrauens abgestimmt werden.

Neben den o.a. Testosteron-Blockern gibt es auch noch die sogenannten Antiandrogene. Im Gegensatz zum Hormonentzug unterbinden sie die Testosteronproduktion nicht, sondern blockieren die Wirkung des Testosterons an den Prostatakrebszellen. Deshalb nennt man sie auch „Androgenrezeptor-Blocker“. Die Wirkstoffe der häufig eingesetzten Antiandrogene der ersten Generation sind Bicalutamid, Flutamid und Nilutamid. Die Wirkstoffe der am häufigsten eingesetzten neueren Antiandrogene der zweiten Generation sind Enzalutamid, Apalutamid und Darolutamid. Diese haben zusätzlich noch einen weiteren wachstumsblockierenden Wirkungsmechanismus.

Die klassische Hormon-Entzugstherapie geht solange gut, bis die schlauen Krebszellen nicht mehr auf die verabreichten Medikamente reagieren (sozusagen unempfindlich werden) und dann das Krebswachstum fortschreitet. Der Prostatakrebs war vorher „hormonsensitiv“, jetzt ist er „kastrationsresistent“ geworden. Die Medizin ist aber mittlerweile so weit, dass in dieser Phase zusätzlich neuere antihormonelle Wirkstoffe wie z.B. Olaparib (Medikament: „Lynparza“), Abírateron (Medikament: „Zytiga“) , Apalutamid (Medikament: „Erleada“), Darolutamid (Medikament: „Nubeqa“), Enzalutamid (Medikament: „Xtandi“) zum Einsatz kommen. Durch ihren neuen Wirkstoffmechanismus können sie das Fortschreiten der Erkrankung verzögern und diese effektiv zurückdrängen. Auf diese Weise hat sich die Behandlung des kastrationsresistenten (man sagt auch „kastrationsrefraktären“) Prostatakarzinoms grundlegend verbessert. Gerade in dieser Richtung werden wir aber in den nächsten Jahren sicherlich noch viele weitere interessante Entwicklungen sehen.

Da Hormone über komplizierte Zusammenhänge viele verschiedene Vorgänge im menschlichen Körper steuern, kann ein Eingriff in den Hormonhaushalt vielfältige Auswirkungen haben. Nebenwirkungen der Hormon-Entzugstherapie können, müssen aber nicht auftreten. Typisch sind z.B. Hitzewallungen, Schwitzen, Erektionsstörungen bzw. Impotenz, Verlust des sexuellen Interesses (Libidoverlust), Übelkeit, Depressionen, Müdigkeit (Fatigue), Gewichtszunahme, Schlafstörungen, erhöhte Blutfett- und Blutzuckerwerte, erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Muskelreduzierung, Nachlassen der Denkleistung, Zunahme des Körperfettanteils, Verkleinerung der Hoden und des Penis, Brustschmerzen und Brustvergrößerung (Gynäkomastie), Gefahr von Osteoporose und Knochenbrüchen.

Männer, die sich einer Hormonentzugstherapie unterziehen, sollten körperlich und geistig aktiv sein und möglichst viel Sport an frischer Luft treiben. So kann man die Nebenwirkungen reduzieren und die Lebensqualität verbessern.

Die Therapie-Entscheidung trifft grundsätzlich immer der Patient. Das gilt natürlich auch für die Hormon-Entzugstherapie Allerdings ist es äußerst wichtig und sinnvoll, sich durch den Facharzt seines Vertrauens intensiv beraten zu lassen. Als Fachmann kennt er die individuelle Situation seines Patienten, die bei jeder Behandlung zu berücksichtigen ist. Wir empfehlen, dem Arzt seine eigenen Wünsche und Vorstellungen mitzuteilen und sich über Vor- und Nachteile aller Therapiemöglichkeiten genauestens zu informieren. Erst wenn man alles ganz genau verstanden und sich alles gut überlegt hat, sollte man sich gemeinsam mit dem begleitenden Arzt entscheiden, wie es weiter gehen soll. Wenn man Zweifel hat, raten wir auch dazu, sich eine Zweitmeinung bei einem anderen Facharzt einzuholen. Um seine Meinung zu festigen und sich umfassend zu informieren, kann sicherlich auch eine Selbsthilfegruppe sehr hilfreich sein, da man sich dort auch mit Männern austauschen kann, die selbst von dieser Krankheit betroffen sind. Außerdem kommen immer wieder Fachleute in die Gruppe, die informieren und Fragen beantworten.

Grundsätzlich gilt für alle Phasen des Prostatakarzinoms (Vorsorge, Früherkennung, Diagnostik, Behandlung, Reha und Nachsorge) die sogenannte S3-Leitlinie. Sie ist ein wichtiger und zentraler Leitfaden für die Ärzte und wird auf medizinisch-wissenschaftlicher Basis ständig weiterentwickelt.

Hier ist der Link dazu:

https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Prostatatkarzinom/Version_6/LL_Prostatakarzinom_Kurzversion_6.0.pdf