Unter einer Osteochondrosis dissecans (kurz OD) versteht man das Absterben eines begrenzten Knochenareals unterhalb des Gelenkknorpels, das zu einer Ablösung des betroffenen Knorpel-Knochen-Areals in Form eines Dissekats, also eines freien Gelenkkörpers (sog. Gelenkmaus) führen kann. In diesem Fall verbleibt eine Schädigung der Gelenkfläche (sog. Mausbett).
Prinzipiell können alle Gelenke von der Erkrankung betroffen sein. Typischerweise findet man die Schädigung jedoch am Kniegelenk, Sprunggelenk, Ellenbogen und Hüftgelenk.
Am Sprunggelenk tritt die Erkrankung klassischerweise am innenseitigen Sprungbein, der sog. medialen Talusschulter, auf. Aufgrund der Form des Sprunggelenkes kommt es seltener zu einer Ablösung des Dissekats als beispielsweise am Kniegelenk. Meist verbleibt die Gelenkmaus in ihrem Bett.
Die Erkrankung verläuft typischerweise in Stadien.
Es kommt zu einer Nekrose, also dem Absterben, von Knochen in einem begrenzten Areal unterhalb des Gelenkknorpels. Das Röntgenbild zeigt meist noch keine Auffälligkeiten. In der MRT ist ein Knochenmarködem bzw. die beginnende Auflösung des Knochens erkennbar. In der Arthroskopie zeigt sich noch intakter Knorpel.
Es beginnen Umbauvorgänge im Knochen, die zu einer „Einmauerung“ des defekten Knochenareals, zu einer sog. Randsklerosierung, führen. Dieser Sklerosesaum ist im Röntgenbild und in der MRT erkennbar. In der Arthroskopie zeigt sich weiterhin intakter Knorpel, der ggf. weich und mit dem Tasthaken eindrückbar ist.
Das betroffene Knorpel-Knochenareal löst sich vom umgebenden Knochen ab; es liegt aber noch in seinem Bett. Im Röntgenbild und in der MRT ist das Dissekat erkennbar. In der Arthroskopie lässt sich das Dissekat mit dem Tasthaken unterfahren.
Das Dissekat löst sich aus seinem Bett und liegt als freier Gelenkkörper vor. Im Röntgenbild und in der MRT sind das Mausbett und der freie Gelenkkörper erkennbar; ebenso in der Arthroskopie.
Am Sprunggelenk tritt eine OD typischerweise zwischen dem 15.-35.Lebensjahr auf. Das männliche Geschlecht ist zweimal häufiger betroffen.
Letztendlich ist die Ursache der OD noch nicht geklärt. Heute geht man davon aus, dass Verletzungsfolgen, insbesondere nach Verstauchungen und Bänderrissen, chronische Instabilitäten mit vermehrter Scherbelastung, Achsenfehlstellungen im Unterschenkel bzw. Fußfehlformen sowie Überlastung mit wiederholten kleinen Verletzungen (sog. Mikrotraumata) hauptverantwortlich für die Entstehung der Erkrankung sind. Es werden aber auch Störungen bei der Knochenbildung mit fehlender Verschmelzung einzelner Knochenkerne sowie ein Vitamin D3-Mangel als mögliche Ursache diskutiert.
Die betroffenen Patienten verspüren anfangs belastungsabhängige Schmerzen im Sprunggelenk, die zunehmend auch in Ruhe auftreten können. Mitunter schwillt das Gelenk an. Im Falle eines freien Gelenkkörpers kann es zu Blockierungen des Gelenkes kommen.
Bei der ärztlichen Vorstellung erfolgt eine Anamneseerhebung, das bedeutet, der Arzt erfragt die Dauer und den Ort der Schmerzen sowie den bisherigen Krankheitsverlauf.
Es folgt eine körperliche Untersuchung bei der auf Schwellungen, Schmerzlokalisation, Beweglichkeit, Instabilitäten oder begleitende Fehlstellungen der Füße und Beine sowie der übrigen Gelenke der unteren Extremitäten geachtet wird.
Zur weiterführenden Diagnostik wird eine Röntgenaufnahme des Sprunggelenkes in zwei Ebenen angefertigt. Dies erfolgt meist im Stehen, um eventuelle Achsenfehlstellungen besser beurteilen zu können. Bei Verdacht auf eine Bandverletzung können sog. gehaltene Aufnahmen erforderlich sein, die Hinweise auf eine Instabilität im Sprunggelenk geben. In der Regel wird eine MRT angefertigt, da im Frühstadium das Röntgenbild unauffällig sein kann und weil mit einer MRT das genaue Ausmaß der Schädigung besser beurteilt werden kann. Die MRT eignet sich auch zur Verlaufskontrolle.
Je nach Stadium der Erkrankung kommen unterschiedliche Therapieansätze in Betracht.
Im Stadium I erfolgt lediglich eine konservative Therapie mit Sportverbot und ggf. Ruhigstellung oder Teilbelastung des betroffenen Beines.
Gerade bei Kindern und Jugendlichen hat die Erkrankung eine gute Prognose. Meist heilt der Defekt innerhalb von 3-6 Monaten aus.
Auch das Stadium II wird bei Kindern mit noch offenen Wachstumsfugen bei kleineren Defekten meist konservativ behandelt. Liegen bereits ausgedehnte Defekte des Knochens vor, kann eine Anbohrung des Defektherdes im Rahmen einer Arthroskopie erfolgen.
Bei geschlossenen Wachstumsfugen erfolgt ebenfalls eine Arthroskopie mit einer retrograden Anbohrung des Defektareals, das heißt einer Anbohrung des Knochens von außerhalb des Gelenkes ohne Verletzung des Knorpels, um den Sklerosesaum zu durchbrechen und das Einheilen gesunden Knochens zu ermöglichen.
Im Stadium III kann versucht werden, das ablösungsgefährdete Knorpel-Knochen-Fragment mit Schrauben oder resorbierbaren Stiften wieder zu befestigen. Hierzu ist in der Regel eine offene Gelenk-OP erforderlich.
Gelingt eine Refixation nicht oder hat sich das Dissekat bereits gelöst (Stadium IV), wird bei kleineren Defekten eine sog. Mikrofrakturierung durchgeführt. Dazu wird der Knochen von der Gelenkseite aus angebohrt, um ein Einwachsen von Stammzellen aus dem Knochen zu ermöglichen, die sich zu Faserknorpel umwandeln und den Defekt decken können. Dies kann im Rahmen einer Arthroskopie, also einer Gelenkspiegelung, durchgeführt werden.
Bei ausgedehnten Defekten ist eventuell die Transplantation eines Knorpel-Knochenzylinders, der aus einem gesunden Gelenk entnommen wird, (OATS) oder eine Auffüllung mit Spongiosa (körpereigenem Knochen, der aus dem Beckenkamm oder Fersenbein entnommen wird) und eine spätere Transplantation von körpereigenen Knorpelzellen (autologe Chondrozytentransplantation) erforderlich. Letztere sind aufwendige Operationen, bei denen eine offene Gelenk-OP mit Durchtrennung und anschließender Verschraubung des Innenknöchels bzw. ein zweizeitiger Eingriff von Nöten sind und die eine lange Nachbehandlungszeit mit Entlastung des Beines für 6-8 Wochen erfordern.