Was spätestens seit dem Film Titanic auch dem abgeklärtesten männlichem Geschöpft klar sein dürfte: Frauenherzen schlagen anders als die von Männern. Und dies auch aus medizinischer Sicht. „Brustschmerzen, Druck- oder Engegefühl auf der Brust: Das sind die typischen Symptome eines akuten Herzinfarktes. Das gilt für Männer ebenso wie für Frauen. Bei einem Herzinfarkt berichteten Frauen jedoch deutlich häufiger als Männer über andere atypische Beschwerden“, erklärt Prof. Dr. med. Michael Buerke, Chefarzt der Kardiologie im St. Marien-Krankenhaus Siegen. „40 Prozent der betroffenen Frauen leiden an Schmerzen im Oberbauch, zwischen den Schulterblättern sowie in Hals- und Nackenbereich oder an Übelkeit.“ Dies werde dann oft nicht als Herzinfarkt erkannt - weder von den Betroffenen noch von Ärzten. Erschwerend käme hinzu, dass die typischen Infarktzeichen im EKG und die Laborwerte bei Frauen regelmäßig viel geringer ausgeprägt sind als bei Männern. Die Folge hiervon sei, dass Frauen oft nicht so umfassend behandelt und auch vereinzelt unvermittelt wieder weggeschickt werden. „Bei ihnen erwartet man einen Herzinfarkt schlicht nicht“, so der Kardiologe.
Dabei ist der Herzinfarkt keine Männerkrankheit, und Herz-Kreislauferkrankungen sind auch bei Frauen die Todesursache Nummer 1. „Die Unsicherheit ist leider noch groß, obwohl in der Medizin die Unterschiede bekannt sind“, sagt Prof. Michael Buerke. Ein Frauenherz pumpt nicht nur anders, auch die Gefäße unterscheiden sich von den männlichen sehr: Bei Frauen sind Durchmesser und Fläche der Arterien kleiner und dünner. Sie verlaufen oft geschlängelt, neigen auch häufig zu Rissen. Warum die Beschwerden so unterschiedlich und diffus sind, ist noch nicht geklärt. „Wegen der eingeschränkten Aussagekraft des EKGs sind Bluttests sowie Ultraschalluntersuchungen bei Frauen umso wichtiger“, betont der Experte aus dem St. Marien-Krankenhaus Siegen.
Traurige Realität ist: Frauen mit Herzbeschwerden kommen durchschnittlich eine halbe Stunde später ins Krankenhaus als Männer. Dadurch beginnt die Behandlung verzögert – obwohl jede Minute zählt. Die dramatische Folge hiervon ist, dass Frauen doppelt so häufig am Herzinfarkt sterben wie Männer. Prof. Michael Buerke sieht daher in der gezielten Aufklärung der Frauen einen zentralen Ansatz: „Frauen müssen besser aufgeklärt und gezielt auch nach anderen Beschwerden befragt werden.“
Auch bei der Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen gibt es große Unterschiede, denn Frauen reagieren anders auf Medikamente. So zeigt eine große Studie, dass Aspirin bei Männern präventiv wirkt, während dies bei Frauen nicht so ausgeprägt beobachtet werden konnte. Auch leiden Frauen bei einzelnen Präparaten unter deutlich stärkeren Nebenwirkungen als Männer. Grund hierfür liegt in der zu geringen Erprobung vieler Medikamente an Frauen, bevor sie zugelassen werden. Deshalb fordert Prof. Buerke, dass Medikamente unbedingt unter Realbedingungen beider Geschlechter getestet werden, bevor sie auf den Markt kommen.
Wesentliche Unterschiede bestehen zwischen den Geschlechtern auch beim Alter, in dem Herzinfarkte typischerweise auftreten. So sind Frauen bis zu den Wechseljahren vergleichsweise gut vor diesem dramatischen Ereignis durch Östrogen geschützt. Parallel zum Nachlassen der Hormonproduktion nimmt der Schutz jedoch ab. Die Folge: Die koronare Herzkrankheit tritt bei Frauen erst ab einem Alter von etwa 60 Jahren vermehrt auf, während Männer häufig schon deutlich früher betroffen sind. „Die nachlassende Hormonproduktion in den Wechseljahren und die zeitgleiche Erhöhung des Herzinfarktrisikos sind jedoch kein Freibrief zur Hormonbehandlung“, sagt der Siegener Kardiologe. Denn umfangreiche Studien hätten gezeigt, dass die Hormongabe keine Verringerung der Herzinfarktrate bewirke.